Strukturwandel, Wasserstoff

Stadtkämmerer Marco Dederichs zum Thema „Strukturwandel in Hürth“ und

Dr. Albrecht Möllmann, Vorsitzender von HyCologne e.V. über „Wasserstoff“

Unser Vorsitzender, Otto Winkelhag, hatte die beiden Referenten eingeladen, um unsere Mitglieder über modernste und weitreichende Entwicklungen in unserer Stadt zu informieren. Bei seiner Begrüßung gratulierte er nochmals Kurt Schürmann zu dessen kürzlich verliehenen Bundesverdienstkreuz am Bande. Dann übergab er das Wort an den ersten Referenten. Die anwesenden Teilnehmer konnten sich über sehr interessante Vorträge über die Wirtschaftsförderung infolge des vorgezogenen Kohleausstiegs und über die Entwicklung des Energieträgers Wasserstoff freuen.

Der Hürther Stadt-Dezernent Marco Dederichs (43) ist– mit einer Unterbrechung in Nideggen – insgesamt schon 22 Jahre in der Hürther Verwaltung: nach der Lehre zur höheren Beamtenlaufbahn und BWL-Masterstudium. Seit dem 22. Februar 2022 ist er als Kämmerer für die Finanzen der Stadt zuständig, darunter auch für Wirtschaftsförderung und Förderprogramme.

Für den Ausstieg aus der Kohleförderung hat der Bund 40 Mrd. Euro bereitgestellt bzw. zugesagt, davon 15 Mrd. für 19 Kernrevierkommunen: Kreise, Städte und Gemeinden im Rheinischen Revier. Hürth war anfangs nicht dabei, durch zähe Verhandlungen wurde inzwischen Hürth als 20. Empfänger aufgenommen.

Zwei Mitarbeiter im Rathaus sind damit betraut, Förderprojekte aufzusetzen. Sie werden zu 90% aus Fördermitteln bezahlt. Vier Projekte laufen z. Z., davon sind drei Projekte schon „durch“.

1. Blockchain Reallabor . Dieses Projekt wird von der Fraunhofer FIT mitbetrieben. Es geht darum, Dokumente von einem PC auf viele andere zu übertragen, ohne dass das Dokument verändert werden kann. Spediteure sind z.B. sehr daran interessiert, dass ihre Dokumente allen erforderlichen Behörden zugänglich sind. Besonders bei Gefahrgut. Auch Archivgut und Bilder können per PC  weitergeleitet werden, ohne dass das Eigentum daran an den Empfänger übergeht.   

2. KI & Robotik. Dieses Kompetenzzentrum (AI Village an der Hasenkaule) dient u.a. der Weiterbildung von Ingenieuren und Handwerkern. Hier sind auch die Fachhochschule, Köln und das 2. Fraunhofer Institut, St. Augustin eingebunden. Der Antrag auf Fördermittel über 12 Mio. Euro wurde im Oktober 2021in Berlin gestellt, Ende 2022 ist mit der Bewilligung zu rechnen. Dieses AI Village wird das erste volldigitalisierte Campus Europas. Für dieses Projekt wurde bereits von der „Zukunftsagentur Rheinisches Revier“ der 2. (von drei) Stern vergeben.

3. Entrepreneurship Center. Hier geht es darum, die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass sich junge Firmengründer mit unternehmerischen Partnern vernetzen bzw. Prozesse organisieren können. Entrepreneurship steht für Kreativität und Innovation.

4. ChemHub Knapsack. Die Firmen YNCORIS, Nova Institut und RWE haben maßgeblich zu diesem Zukunftsprojekt beigetragen. Der ChemHub (Labor) soll auf dem Knapsacker Hügel entstehen und wird sich u.a. mit den Forschungs-Themen CO2– Wiederverwendung, Wasserstoffverfahren, Biomasse und Recycling befassen. Es geht darum, Forschungsergebnisse in Echtunternehmen der Chemie zu übertragen. Auch Covestro und die Ruhruniversität Bochum sind an der Forschung beteiligt.

5. Klassische Strukturwandelverfahren. Es müssen Pläne für das ehem. Kreishausgelände geschmiedet werden. Ein Teil der Gebäude steht bereits leer, Verträge bei anderen laufen aus. Die Umgestaltung könnte 50-60 Mio. Euro kosten. Fördermittel von ca. 30 Mio. Euro könnten sich bei „förderungswürdiger“ Gestaltung erzielen lassen. Angedacht ist, die Mitte von Hürth zu erweitern mit Musikschule, Stadtbücherei und öffentlichem Platz, z.B. für Stadtfeste – Auch die Fortführung der Linie 19 zum EKZ ist ein solches Projekt. – In Alt-Hürth ist das Sportzentrum mit der ehem. Radrennbahn ein Projekt, welches angegangen werden müsste. – Richtung Meschenich besteht noch eine Gewerbefläche von etwa 10 HA. Es gibt Überlegungen, dieses für Industrieansiedlungen in Erbpacht zu vermieten. Alle Maßnahmen haben das Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen und in Hürth zu erhalten. Auf der Verwaltung lastet noch viel Arbeit bei der Umsetzung.  

Im Anschluss gab es noch eine Frage- und Diskussionsrunde.

Otto Winkelhag dankte Herrn Dederichs für seine umfangreichen und interessanten Ausführungen mit einer guten Flasche Rotwein und einem Blumenstrauß.

Nach kurzer Kaffeepause mit Obstschnitten von der Bäckerei Welter stellte sich

Herr Dr. Albrecht Möllmann (70) vor: Chemiker und ehem. Laborleiter der Fa. RWE, Knapsack, jetzt 1. Vorsitzender der HyCologne – Wasserstoff Region Rheinland e.V., Knapsack. Dieser Verein wurde 2007 gegründet und hat inzwischen 50 Mitglieder.

Wasserstoff ist ein unsichtbares, geruchloses, ungiftiges Gas und leichter als Luft. Es gibt verschiedene Arten von Wasserstoff: grauer aus fossilen Brennstoffen und Strom mit CO2-Belastung, blauer und türkisener, der beste ist grüner aus Wasser und regenerativer Energie, dieser hat keinerlei Umweltbelastung durch CO2.

Die Wasserstofftechnik ist nicht neu, (Wasserstoffbombe! Und auch deutsche U-Boote fahren seit 2005 unter Wasser mit der Brennstoffzelle!), relativ neu ist aber der (teure) Antrieb für Kraftfahrzeuge. Wasserstoff (H2) war im Industriepark Knapsack ein Nebenprodukt. Seit 2010 gibt es in Knapsack die erste Wasserstofftankstelle und seit 2011 fährt ein erster Bus mit Wasserstoff. In einer Brennstoffzelle wird Wasserstoff in elektrische Energie umgewandelt, diese treibt sodann die E-Motoren des Busses an. Es wird kein CO2 ausgestoßen, solche Antriebe sind absolut abgasfrei. Wasserstoff könnte somit ein wesentlicher Energieträger der Zukunft werden.

In Hürth fahren mit der RVK momentan 16 Busse, die zweitgrößte Busflotte mit Wasserstofftechnik in Europa. Der Stückpreis pro Bus beläuft sich auf 600.000 Euro, das Bundesministerium für Verkehr und Digitales (BMVI) hat der RVK kürzlich den Förderbescheid für weitere 108 Busse zugesagt. Diese Fördermittel gleichen die Preisdifferenz zwischen einem Bus mit Dieselmotor und einem mit Wasserstoff aus. Ein Bus braucht 25 kg Wasserstoff für ca. 200 km. Der Tank muss einem Druck von bis zu 700 Bar standhalten. Elf der bisherigen Busse wurden aus den Niederlanden bezogen, fünf neuere aus Polen.

Deutsche LKW- bzw. Bushersteller haben noch keine Wasserstoffbusse im Angebot, es werde aber daran geforscht.

Im PKW-Bereich ist vor allem Toyota mit seinem Mirai bekannt geworden. Auch der Referent fährt einen solchen und ließ uns seine Begeisterung daran spüren.

Herr Dr. Möllmann unterbreitete uns seine interessanten Ausführungen mit vielen Grafiken und Lichtbildern. Sein Credo: Wasserstoff ist der Energieträger der Zukunft.

Es schloss sich noch eine kurze Fragerunde an. Danach dankte Herr Winkelhag Herrn Dr. Möllmann – ebenso mit einer guten Flasche aus seinem Weinkeller und einem Blumenstrauß – und wünschte ihm und den anwesenden Teilnehmern einen guten Heimweg.

Text Friedrich Knäpper  –   Bilder Kurt Schürmann